Große Musik vor kleiner Kulisse

Das erste Konzert des Stolberger Musiksommers 2013 bietet einen besonderen Leckerbissen. Mal barock, mal frech: Anna Fischer und Theo Palm begeistern das Publikum mit ihrem Können und mit ihrem Repertoire.

Stolberg. Größer konnte die Spannweite kaum sein: Die Altistin Anna Fischer und der Pianist Theo Palm eröffneten die Konzertreihe des Stolberger Musiksommers mit einem Leckerbissen im Rittersaal der Burg. Georg Friedrich Händel (1685-1759) schrieb 42 Opern und 25 Oratorien, so auch die Musik zu Amadigi di Gaula. Im Barock fand man in den Opernhäusern fast nur Kastraten und Männer, daher ist die Partie des Amadigi als Alt geschrieben.

Anna Fischer startete die Arie „Penna tiranna“ vom Saaleingang her. Ihre volle Altstimme ließ förmlich die Leiden des Amadigi nachvollziehen, weil er seine Geliebte nicht sehen durfte. „Agitato il cor mi sento“ war die zweite Arie, virtuos komponiert, von Theo Palm gespielt und von Anna Fischer gesungen.

Henry Purcell (1659-1695), ein englischer Zeitgenosse Händels, schrieb die Musik zu „Dido und Aeneas“. Als Vorlage zum Libretto diente Vergils Epos „Aeneis“, die Geschichte der Eroberung Trojas. Dido, die Königing von Karthago, brachte sich um, als der geliebte Aeneas den Göttern folgend nach Italien segelte. „When I am laid in Earth“ sang Anna Fischer, als wäre sie selbst vom Schicksal so betroffen.

Bei Faurés „Sicilienne“ aus der Suite „Pelléas et Mélisande“ zeigte Theo Palm, wie gefühlvoll man eine eigenständige, poetisch nuancierte, stark diatonisch gebundene Tonsprache am Flügel ausdrücken kann. Camille Saint-Saens schrieb in seiner Oper „Samson und Delila“ eine der schönsten Alt-Arien der Opernwelt: „Mon Coeur s’ouvre à ta Voix“. Hier zeigte Anna Fischer einmal mehr die Palette ihres Könnens.

Unterschiedlicher hätte der zweite Teil kaum beginnen können: Vier Tierlieder nach Texten von Bertolt Brecht, von Theo Palm anlässlich des rheinischen Musikfestes in Aachen vertont, führten eine ganz andere Anna Fischer vor: ironisch, frech, provozierend. Genau so, wie Brecht die Werke sah: „Das Schwein“, „das Pferd“, „der Elefant“ und „die Kellerassel“, der beim Einsturz des Gebäudes der Dreck „auf’s Köpfchen prasselt“.

Kurt Weill, Schöpfer der „Dreigroschenoper“, schuf eine Reihe von provozierenden Liedern, wie „Der Abschiedsbrief“. Mal frech, mal leidenschaftlich ausdrucksstark, dann wieder ironisch sprechend führte Anna Fischer eine weitere Facette ihres Repertoires vor.

Theo Palm zeigte derweil im Potpourri von Liedern des Aacheners Peter Kreuder mehr, als eigentlich in den Noten stand: gefühlvolle, sehr emotionale Teile im Wechsel mit leicht gejazzten Partien. Man hätte glauben können, Kreuder selbst oder aber Paul Kuhn hätte gespielt: „Musik, Musik, Musik“, „Für eine Nacht voller Seligkeit“, „Du gehst durch alle meine Träume“, „1,2,3,4,5,6,7, wo ist meine Frau geblieben und schließlich „Goodbye Jonny“.

Hafenmilieu ist spürbar

Mit Werner Eisbrenners „Mein Erster, der war Matrose“ sang Anna Fischer, der Seemannsbraut entsprechend, „beim ersten Mal tut’s noch weh“. Das Hafenmilieu konnte man förmlich spüren. Schließlich bat Theo Palm bei seiner Anmoderation zum Schluss, auf Wertsachen besonders aufzupassen, denn Friedrich Hollaenders „Kleptomanin“ kam, waschecht gespielt und gesungen von Anna Fischer.

Lang anhaltender Applaus des begeisterten Publikums rief die Künstler nochmals auf die Bühne, Die „Habanera“ aus „Carmen“, offensichtlich ein Paradestück der Beiden, brachte ein hochinteressantes und unterhaltsames Konzert zum Abschluss. Allein die Zuschauerresonanz ließ an diesem Abend auf der Burg zu wünschen übrig. (hje)

Mit freundlicher Genehmigung aus der Stolberger Zeitung vom 8. Mai 2013